Treten Sie ein ins Dorfmuseum und spulen Sie die Zeitmaschine um 65 Jahre zurück. Im 1952 war die Belper Gewerbeausstellung etwas besonderes, weil es auch einen stolzen Umzug gab. Das ganze Dorf stand auf dem Trottoir, alle «gsunntiget», viele mit Tracht, auch die Kinder mit glänzenden Schuhen und Scheiteln.
Das Team ums Ortsmuseum hat die beiden Räume einmal mehr in interessanter Art eingerichtet. Das höchst erwartungsvolle Publikum des Umzugs schaut von grossen Wandbildern in den Raum, wo in der Mitte verschiedene Gewerbebereiche in jeweils einer Nische vorgestellt werden. Mit vielen Original-Gegenständen aus Belp, aber auch mit ergänzten Maschinen, Geräten, Schildern, Reglementen und Fotos.
Ein Genuss, der Zeit braucht – ein Museum ist ja nicht McDonalds. Lohnende Zeit! Denn die Ausstellung «Marktplatz» bringt auch ins Nachdenken. Über Geschischte, gestern–heute–morgen, auch über Sorgfalt, Qualität, Langlebigkeit, Lokales, Handwerk, Berufsstolz, Eigenverantwortung. Alles also das Gegenteil von global, EU, dezentral, Fremdbestimmung, Fastfood, billig…
Bei der Vernissage betonte Gemeindepräsident Benjamin Marti das «Mitenang» zwischen dem Gewerbe, der Gemeinde und anderen Körperschaften im Dorf. Das sei nicht selbstverständlich. «Ich war kürzlich an einem Anlass der Berner Wirtschaftsförderung, auch mit anderen Gemeindepräsidenten im Raum Bern. Da erfuhr ich, dass dieses Zusammenspiel anderswo lange nicht so gut funktioniert wie in Belp.»
Marti dankte Su Jost, der Leiterin des Ortsmuseums, für ihre engagierte Arbeit. «Sie ist ein Glücksfall für unser Dorf. Ihre Ausstellungen haben nicht, wie man etwa erwarten würde, einfach eine schöne Darstellung von Themen aus früheren Zeiten. Sondern immer auch Kontext, Vermittlung und Hintergründe. Sehr, sehr wertvoll!»
Jost gab den Dank auch ans Team weiter, «ohne das Team wär das hier gar nicht.» Sie betonte, dass man sich Zeit nehmen solle für die Ausstellung. Und vielleicht seine eigene Zeit zurückspulen könne. «Die Besucher sollen auch eigene Geschichte reflektieren, ihre eigene Geschichte auch als spannend wahrnehmen.» (Ich verrate schon mal, dass dies im Ortsmuseum an einer Ecke überraschend direkt wird. Für alle, die Hinschauen.)
Zum Kontext der Ausstellung bemerkte Jost, dass momentan viele nur von den 68-ern redeten. «Die 50-er fallen da fast etwas weg und erhalten ein etwas depressives Etikett. Aber wenn man genauer hinschaut, sieht man in den 50-ern viel Aufbruch, Lebensfreude, Neues.»
Der Wandel werde überall sichtbar in den 50-ern. Man wusch mit Waschbrett, die ersten Waschmaschinen wurden aber schon genutzt (im Dorfumzug 1952 eine der Top-Attraktionen: eine Waschmaschine…). Oder es fahren immer mehr Autos im normalen Alltag herum – der Khüder wird aber weiterhin mit Ross und Wagen eingesammelt. Oder die absolute Begeisterung für Kunststoff, Plastiktüten usw… «Wir baden heute aus, was damals gemacht wurde. Und in 30 Jahren wird man ausbaden, was unere Gesellschaft hier heute tut…»
Die Ausstellung «Marktplatz» wurde auch durch Kontakte der Belper KMU möglich. KMU-Präsident Martin Hodler hat dank des Ortsmuseums-Ankicks gemeinsam mit Jost in den KMU-Archivkisten gewühlt. «Die Belper Gewerbler haben sich schon seit 1899 als Verein organisiert. Seit damals, bis heute und – ich bin überzeugt – auch in Zukunft gilt: Ein intaktes Gewerbe ist extrem wichtig für ein lebendiges Dorf. Ein Dorf braucht starke KMU – KMUs brauchen ein lebendiges Dorf. Auch rund um diese Ausstellung sehen wir Kleinen und Mittleren Unternehmen einmal mehr: Man redet in Belp zusammen, realisiert Projekte, es geht Hand in Hand. Danke allen Beteiligten!»
Nehmen Sie sich Zeit, spulen Sie zurück, geniessen Sie den «Marktplatz» im Ortsmuseum.
Und schauen Sie sich die Wochenschau am Holzfernsehen an! Mit Tour de Suisse, Ferdy Kübler, Hugo Koblet, der Etappe nach Adelboden, Reifenpannen die man selber (!) repariert – wieder mal wird sichtbar, welches der schönste Sport der Welt ist.
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