«Sie ist heute halt etwas empfindlich», klärt Dora Widmer das Publikum in der übervollen Kirche über die Launen der Kirchenorgel auf. «Es hat ja etwas viele Leute in der Kirche, darum ist es zu warm, und das hat sie nicht gern, unsere Orgel.»
Das Publikum bleibt stur sitzen.
Niemand lässt es sich nehmen, das Abschiedskonzert der langjährigen Belper Organistin Dora Widmer und ihres Mannes Walter. Tout Kultur-Belp ist gekommen. Wohl auch tout Organisten-Bernmittelland. Das Konzert heisst «Widmung»: «Wir widmen dieses Konzert euch allen heute Abend. Es ist unglaublich, wieviele Leute hier sind; wir sind sehr gerührt», betonen beide mehrere Male während des Abends.
Architekt Markus Graber (er hat die Renovation der Kirche im 2018 begleitet) sagt zu meiner Frage, wieviele Leute in der Kirche Platz haben: «Dreihundert. Eigentlich.» Das Orgelkonzert von Widmers wollen gegen 400 Leute hören. «Ähm, halt nicht so Gebäudeversicherungs-konform», lächelt Graber. Mit ein paar Kunstgriffen des Sigristen finden aber alle ein Plätzli – die Orgel legt los.
Widmers teilen den Abend in Blöcke ein. Es geht von Tschaikowskis Nussknacker über Gussago, Messiaen und Widor bis zu Bach. Ein Orgelkonzert ist für mich, so nach 25 Minuten etwa, meistens ziemlich einschläfernd. Nicht aber bei Widmers. Weil sie die Stücke in kurzen, sprachlich-präzisen Erklärungen vorbereiten, wird sogar die Wüstenwanderung von Monsieur Messiaen ein Erlebnis. Auch zwei Werke von Johann Sebastian Bach, kraftvoll wie immer, erhalten dank den Erklärungen Widmers noch tiefere Bedeutung. Widmers sind nicht nur excellente Musiker, sondern ebensolche Erzähler.
Mitten im Orgelgenuss heissts plötzlich «wir kommen nun zu unserem letzten Stück». Schon? Es gibt danach eine Standing Ovation, Widmers kommen die Treppe runter, Hand-in-Hand nach vorne. Die Dankesworte des Kirchgemeindepräsidenten Werner Zingg sind ohne lange Laudatio, also vermutlich genau so, wie es für Widmers passt. Dann nochmal Dora Widmer pur: «So, ihr wollt sicher noch etwas hören», 400 strahlende Gesichter, und schon sind Widmers zum musikalisch-fröhlichen Abschluss des Abends an der Orgel.
Es geht mit Orgelspiel natürlich weiter in Belp. Es ist der neue Organist Chrigu Gerber, der am Samstagmorgen danach die Märitorgele spielt.
(Fotos vom Gottesdienst zum Abschluss der Sanierung, Dezember 2018)
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