Die Telegramm-Adresse war: Schloßhotel Belp. Die Telefonnummer: 80.93. Der Franken hatte damals etwas mehr Wert: Ein Zimmer in guter Lage kostete Fr. 3.—. Eine der Attraktionen war «Wöchentlich 1 bis 2 mal Orchester.»
Vor 120 Jahren war Belp auch eine Tourismus-Destination. Im Kurhaus Schloss Oberried, das auch als Hotel & Pension Viktoria angepriesen wurde, stiegen die Herrschaften aus Bern ab, nachdem sie Sonntags mit Kutschen aufs Land gefahren waren. Die Hotelzimmer deuteten auch auch einen Kur-Tourismus hin.
Adolf Ebersold, ein Fabrikant aus Bern, hatte das Areal im 1902 gekauft. Stallungen, Tenne und Gebäude wurden umgebaut zu einem grossen Speisesaal und zwei Stockwerken mit Hotelzimmern, unter den Kastanienbäumen war eine Gartentwirtschaft eingerichtet.
Ein Max Huber berichtet dann aber: «Dem Hotelbetrieb war keine lange Blütenzeit beschieden. Bereits 1913 musste der Wirtschaftsbetrieb eingestellt werden.»
Die Tourismus-Idee im Oberried ging also auch hier schnell wieder zu Ende. Wie bei vielen Hotelbetrieben dieser Zeit, die mit Elan und hoffnungsvollen Plänen einen gewissen Aufschwung ins ländliche Bernbiet brachten. Die gleichen Geschichten schreiben das Gurnigelbad, der Beatenberg, Hotels am Thunersee, in Grindelwald, Gstaad, Hasliberg… Ein Grund war der drohende Erste Weltkrieg und damit das plötzliche Ausbleiben von zahlkräftigen Gästen aus dem Ausland.
Eine Recherche des Dorfhistorikers Peter Beutler in Zeitungen von damals zeigt uns ein breites Bild dieser Zeiten im Oberried.
Mittelländisches Volksblatt vom 6. Januar 1902 (Jordi AG, Belp):
«Bekanntlich hat Herr Ebersold das Gut gekauft, um neben dem Kurwesen eine Fabrikanlage daselbst zu erstellen und bereitet diese Angelegenheit unter der Hand vor. Nun hängt es sehr viel davon ab, ob derselbe für seine Bestrebungen bei der hiesigen Bevölkerung Verständnis und Unterstützung findet. Ohne Zweifel hätte die Eröffnung Dieses Etablissements für unsere Gegend grossen Wert, der sich in vermehrter Bahnfrequenz und lebhafterem Geschäftsgang fühlbar machen würde. Es sollte deshalb von Seiten der hiesigen Bevölkerung alles getan werden, was Herrn Ebersold in seinem Bestreben unterstützen kann. Wir sind überzeugt, dass der Mann dazu ist, dieses Gut im Interesse unserer Gemeinde einer schönen Zukunft entgegenzuführen, wenn wir auch oft nicht im stande sind, sein Ziel zu begreifen, und seine Pläne nicht kennen.
«Wie Du mir, so ich Dir» wird Herr Ebersold denken, er ist ja in der Lage, sein Geschäft total unabhängig von Belp durchzuführen. Ob er dies tut oder nicht, ob er seine Arbeiten hier oder anderswo ausführen lässt, ob er seine Bedarfsartikel hier oder anderswo kauft, hängt jedenfalls von uns ab, es sollten dies alle bedenken und dahin wirken, dass das Oberried zu voller Blüte kommt, zum Nutze unserer Gemeinde.»
Auch andere Zeitungen haben zum Schloss Oberried fleissig publiziert.
Intelligenzblatt Bern:
(31. März 1906) «Schloss Oberried bei Belp, das als Muster einer gediegenen Anlage gelten kann, bewährt seine Anziehungskraft in hohem Masse. Wie lachender Sonnenschein mutet dieser idyllische Ort uns an, alles schön, sauber, gediegen und doch heimelig.
Man sieht, dass die Leitung bestrebt ist, den Anforderungen gerecht zu werden, die an ein derartiges Etablissement gestellt werden; stetig wird neu eingerichtet, verbessert, um im Andrange allen prompt entsprechen zu können.
Sicher ist, dass Versailles Bernois, wie es viel genannt wird, bald der Lieblingsplatz für Heimische und Fremde sein wird.»
— «Sonntagsausflügler vernehmen es gewiss mit Freude, dass seit dem 25. März Schloss Oberried bei Belp wieder geöffnet ist. Seit diesem Tage liegt der betrieb in durchaus sachkundigen, Hotel- und Restaurationsfach erfahrenen Hände. Frau Hofer, die neue Pächterin, wird im Verein mit ihren Töchtern das bernische Versaille zum beliebtesten Ausflugsziel der Stadtberner auszugestalten wissen.»
(31. Mai 2021) «Grosser Kastanienbaum. Im Hofe des Schlosses Oberried bei Belp steht ein prächtiges Exemplar von einem Kastanienbaum, das einen Stammumfang von zirka zehn Fuß hat und dessen Äste sich zirka 350 Quadratmeter weit ausbreiten, also für 200 Personen samt Wirtstischen Raum genug bieten. Bekanntlich bekommt man dort gute Forellen und feinen Waadtländer, Grund genug, um sich den Baum anzusehen.»
(10. Juni 1906) «Das Gürbetal ist nicht nur schön, sondern enthält auch einige hübsche Kurorte, unter denen das bei Belp liegende Schloss Oberried hervorragt: ein fast 200 Jahre altes Schlösschen, im entzückenden Stil der bernischen Landhäuser erbaut, mit einem Garten im französischen Geschmack, schönen Alleen. Wasserbecken mit Springbrunnen und mächtigen, uralten Baumen. Der gegenwärtige Besitzer von Schloss Oberried hat seit diesen Sommer Automobilfahrten von Bern aus eingerichtet, die es ermöglichen, einen bequemen Nachmittagsausflug dorthin zu machen.»
Nochmals das Mittelländisches Volksblatt – 18. Mai 1910:
«Grossen Zuzug hatte namentlich auch das Kurhaus Oberried, das mit neuen, prächtig ausgestatteten Lokalitäten nun weitgehenden Ansprüche zu genügen vermag. Der nunmehrige Besitzer, Herr Hofer-Götschmann, ist unermüdlich tätig an der Ausgestaltung dieses Bijour, das vom Dichter Tavel eine so schöne poetische Verklärung erfahren hat. Er hat auch finanzielle Opfer nicht gescheut.
Der eine und andere Freund ländlicher, altbernischer Privatsitze bedauert zwar die Profanierung durch einen Wirtschaftsbetrieb, aber warum hat sich kein bernischer gutsituierter Herr für dessen Erwerb finden lassen. Da nun Herr Ebersold und Herr Hofer gesagr hat, muss eben energisch weitergefahren werden und es wird dem Unternehmen hoffentlich die Unterstützung weitester Kreise nicht vorenthalten werden.»
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