14- bis 18-jährig sind sie, die meisten stammen aus Eritrea und sind Männer, sie kommen alleine in die Schweiz und hoffen auf eine bessere Zukunft. «Sie sind zurückhaltend, scheu, lernfreudig», so beschreiben sie die Betreuer, welche seit längerer Zeit schon in Bärau mit ihnen zusammenarbeiten. Ab nächster Woche zügeln einige von ihnen von Bärau nach Belp.
In Bärau platzt das Zentrum aus allen Nähten. In Belp wurde dem Kanton von privater Seite Platz angeboten, darum werden in den nächsten Wochen auch in Belp minderjährige Asylsuchende einziehen. Der Kanton Bern hat das Angebot der Belper Nathalie Stiftung rasch angenommen, das freiwerdende Haus für die Unterkunft minderjähriger Asylsuchender zu mieten. Es ist ein etwas verstecktes älteres grosses Haus im Chalet-Stil zwischen Agrola-Tankstelle und Bauhaus-Büros, an der Sägestrasse etwas zurückversetzt direkt an der Gürbe. Die Nathalie Stiftung betreute hier bisher 11 Menschen mit Autismus und hat ihren Betrieb kürzlich nach Wattenwil gezügelt.
Der Gemeinderat Belp «nimmt zur Kenntnis, dass sich unsere Gemeinde dem weltweiten Flüchtlingselend nicht verwehren kann.» So oder so kann er dieser Vereinbarung zwischen dem Kanton und einer privaten Stiftung nichts entgegensetzen, will dies auch nicht, im Gegenteil. Sehr rasch und umfassend hat der Kanton und die Gemeinde informiert, brieflich alle Anwohner und am Mittwochabend auch die breite Bevölkerung.
180 Leuten waren da. Die meisten wollten einfach mal mehr wissen über die neuen Bewohner von Belp. Einige Exponenten der bürgerlichen Seite liessen gegen Schluss auch etwas Emotionen hochgehen. Es ist verständlich, dass im wohlbehüteten Belp ein solches Zentrum Wellen wirft. Allgemein war aber die Stimmung zu spüren, dass Belp sich auf diese Situation positiv einstellen wolle.
Der Kanton hat die Unterbringung der Berner Firma Zihler Social Development übertragen, welche auch das Zentrum in Bärau führt. Über eine Hotline (079 372 63 38) kann man sich dort persönlich informieren über die Umstände dieser Unterkunftsplätze. Ein kleines bisschen erfährt man in einer Reportage aus dem Zentrum in Bärau von Radio SRF: «Wenn Kinder alleine auf der Flucht sind».
Geschäftsinhaber Stephan Zihler gelang es am Infoabend recht gut, den Belpern mit offener Information über die Erfahrungen in Bärau Sicherheit zu geben. «Es sind eingeschüchterte Kinder, eher scheu, zurückhaltend», umschrieb er die bald neuen Bewohner Belps. Sie hätten meist traumatische Erlebnisse in ihrem eigenen Land und von den Strapazen der Reise hinter sich. «Wir arbeiten gezielt mit ihnen an einer möglichst schnellen Integration.»
Seine Firma habe natürlich kein Interesse daran, dass es Probleme gebe. Man habe strenge Regeln («unsere rote und gelbe Karte versteht jeder»), eine klare Tagesstruktur, eine interne Schule wo es vorerst ums Sprachenlernen gehe. Und zum Beispiel müsse jeder Asylsuchender ein sehr kleines Finanzbudget verwalten. Wo es Sinn mache, werde eine Integration in die reguläre Schule angepeilt, «das werden aber nur vielleicht max. 5 Kinder sein von den 40», beschwichtigte Zihler die Skeptischen im Saal.
«Sobald sie volljährig sind, werden die Asylsuchenden vom Kanton in ein anderes Zentrum gebracht. Belp wird nur jugendliche Asylsuchende aufnehmen», hiess es an der Infoveranstaltung, an der auch Vertreter des Kantons zugegen waren.
«Regelmässige Runde Tische mit der Gemeinde, mit Nachbarn, mit anderen Anspruchsgruppen sollen verhindern, dass sich Probleme entwickeln.» Auch seien Tage der offenen Tür geplant.
In Bärau seien einige der Bewohner beim FC Konolfingen dabei und teils schon wichtige Mannschaftsstützen. «Oder einer ist ein wahres Sprachentalent, wird entsprechend geschult und wird sicher seinen Weg machen.» Man versuche sehr gezielt, den jungen Menschen zu zeigen, was eigenverantwortliches Leben heisst, dass man arbeiten muss um zu Geld zu kommen, dass man sein Geld einteilen muss.
Pro Tag sei für jeden eine halbe Stunde Internet erlaubt. «Sie suchen vor allem nach Kontakt mit ihren Familien oder Verwandten, der teils komplett abgebrochen ist.» Viele müssten Erlebtes verarbeiten, hätten auch oft Albträume.
Gemäss Zihler wäre pädagogisch gesehen ein Betreuer für 6 Jugendliche ideal, man könne derzeit aus finanziellen Gründen aber nur rund 4–5 Betreuer für die geplanten 40 Asylsuchenden bieten. «Immer vor Ort ist natürlich ein Dolmetscher, und auch in der Nacht ist das Haus natürlich betreut.» Und es seien oft auch Eritrea-Vereine in der Schweiz, die mithelfen.
Einige Belper wollten wissen, wie man konkret helfen und unterstützen könne, «kann man Kleider vorbeibringen, einen Teddybär oder so?» – Zihler: «Wir sind sehr offen für Hilfe, kommen Sie einfach auf uns zu, fragen Sie uns. Sie werden sicher auch verstehen, dass wir nicht gerade eine Brocki werden wollen… da bitten wir um Verständnis.»
Die Bürgerlichen haben an diesem Abend ihre kritischen Fragen bis zum Schluss aufbewahrt. SVP-Präsident Jan Griessen brachte Fragen und Vermutungen auf den Tisch, die dann doch noch zu heissen Diskussionen führten. Fragen auch als Gradmesser für den Kanton und die Firma Zihler, die damit sicher die ganze Belper Gefühlslage mitbekamen. Die Argumente schaukelten sich dann aber so weit auf, dass es dem Gemeindepräsidenten Rudolf Neuenschwander zuviel wurde und er den SVP-Präsidenten zurechtweisen musste, was auch noch mit Applaus im Saal bestätigt wurde.
Man kann sich über vieles streiten, angefangen vom grundsätzlichen Vorgehen im Schweizer Asylwesen über Lösungen für die Krisenherde dieser Welt bis zur Erlaubnis, ob ein jugendlicher Asylsuchender ein Handy haben darf oder nicht.
Man kann aber auch einfach mal abwarten, den Infos an diesem Anlass Glauben schenken, offen sein. Uns Belpern wird es nicht schaden, ein ganz kleines bisschen Leben zu teilen mit Menschen, die nicht freiwillig hier sind.
Auf Bäup.ch werden wir Ihnen demnächst einige dieser neuen Bewohner näher vorstellen (wenn diese auch einverstanden sind).
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