Dieses halb verdeckte Wandbild im Mühlematt-Schulhaus, im Zimmer mit dem Namen «Bay» – was hat es damit auf sich? Es umfasst die komplette Seitenwand – leere Wandfläche, was einem Schulzimmer ja dienen würde, gibts keine hier. Das Bild ist mit Plexiglas geschützt. Ein Teil ist mit Plakaten von Kunstausstellungen zugeklebt. Abstellmaterial steht herum, grosse 3D-Kartonbuchstaben.

Das Ortsmuseum wollte es genauer wissen. Auch, weil Mitte April eine Bay-Ausstellung im Schloss eröffnet wird. Also haben die Leiterin Su Jost mit ihren Helfern (unser Titelbild) das Wandbild vor ein paar Tagen befreit. Das Abstellmaterial haben schon die Lehrer beiseite gestellt, dem Ortsmuseum-Team blieb nur noch das wegschrauben des Plexiglases, die Dokumentation, das Entfernen der verdeckenden Poster und das erneute Anschrauben der Scheiben.


Das monochrome Wandbild stammt von der in Belp geborenen Malerin Hanni Bay (1885-1978). «Zu ihrer Zeit war sie eine der bekanntesten Berner Malerinnen. Heute entsprechen ihre Bilder nicht mehr dem Geschmack der Zeit. Ihr historischer Wert bleibt jedoch», so sagt es eine Kuratorin in einem Artikel des Tages-Anzeigers.
Zur vierwöchigen Sonderausstellung ab 16. April gibt Jost schon erste Hinweise: «Die Sonderausstellung zeigt mit Werken aus Privatbesitz einen Querschnitt durch das Schaffen der Berner Kunstmalerin Hanni Bay (1885–1978). Die Ausstellung wirft zudem ein Augenmerk auf die Biografie und die starke Persönlichkeit der Künstlerin, die 1885 in die Belper Tuchfabrikanten-Dynastie geboren wurde und bald schon deutlich machte, dass ihr das Dasein als ‹höhere Tochter› widerstrebte…»
«Das Bay-Wandbild im Mühlematt ist bislang nicht dokumentiert», sagt Jost. Man wolle mit diesem Projekt wieder einen Bezug zum Bild, zu seiner Malerin, zu den Zeiten der Entstehung schaffen. «Es entstand 1958/59 als Geschenk von Hanni Bay an die Gemeinde aus Freude über die Benennung des ‹Baywegs›. Wir versuchen nun, noch mehr zum Wandbild herauszufinden.» Das Bild werde auch auf mural.ch dokumentiert, man arbeite ebenfalls mit ArchivArte zusammen (siehe Link Tages-Zeiger oben). «Und vielleicht gibts im Rahmen der Sonderausstellung im Schloss auch die Möglichkeit, das Wandbild im Schulzimmer zu besuchen.»
Der Name der Malerin taucht auch im Belper Bay-Fonds auf. Dieser bietet Belper Schulklassen finanzielle Unterstützung für Klassenreisen. Die Bays waren die Industriellen-Dynastie in Belp. Sie waren liberal, politisch und sozial engagiert, erfolgreich – mussten aber auch existentielle Rückschläge verkraften (Fabrikbrand, Konkurs). Die Bays seien die Buddenbrooks von Belp gewesen (Thomas Manns Werk «Buddenbooks» – Aufstieg und Fall einer deutschen Industriellenfamilie).
Ein Buch, das im Dezember 2015 vorgestellt wurde, erzählt Interessantes zu Belps industrieller Vergangenheit.
In Ihre Agenda:
«HANNI BAY – geboren in Belp»
16. April bis 16. Mai 2020 im Schloss Belp


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