Soll Belp die Mühlmatt-Schulanlage komplett neu bauen oder teils sanieren, teils neu bauen? An der Gemeindeversammlung am 3. September wird diese Frage debattiert werden. Die Gemeinde organisiert derzeit schon mal einen anderen Versammlungsort, weil sehr viele Stimmbürger erwartet werden.
Der Belper Architekt Markus Graber wirft der Gemeinde vor, beim Aufgleisen dieses Projektes wichtige strategische Entscheide nicht weitsichtig genug gemacht zu haben. mit einem Neubau der kompletten Anlage spare die Gemeinde Belp langfristig 20–27 Mio. Franken, so seine Berechnungen.
Was sagt die Gemeinde dazu? «Wir begrüssen eine solche Debatte», sagt Gemeindepsädient Benjamin Marti. Es sei gut, dass sich die Belper aktiv in diese Diskussion einschalteten.
Als das Naphtalin-Problem auftauchte, habe er zuerst auch gedacht: Wir müssen diese Altbauten loswerden. «Als wir dann informiert wurden, dass man das Naphtalinproblem mit Massnahmen von 1 Mio. Franken lösen könne, begannen wir umzudenken. Die Kernfrage ist: Wollen wir den Wert der alten Substanz noch eine Generation nutzen?»
Mit einer Sanierung statt Neubau spare man «gemäss heutiger Schätzung» um die 7 Mio. Franken. Es brauchte also schon gute Gründe, um die teurere Variante – alles komplett neu – zu wählen. «Die Grundsubstanz der Altbauten ist weiterhin nutzbar. Auch eine Etappierung ist bei einer Teil-Sanierung besser möglich. Wir wollen auch keinesfalls Container-Schulanlagen während der Bauphase. Es gehen mehr als 700 Leute täglich ein und aus im Mühlematt.»
Wie Schule in Zukunft sein wird, wisse man heute ja nicht. «Unterrichtsformen im Jahr 2055 werden wieder anders aussehen als die, welche der Lehrplan 21 derzeit vorgibt. Wenn man die bestehende Bausubstanz jetzt für 30 Jahre fit macht, kann im 2055 die dannzumalige Bevölkerung entscheiden, was sie braucht.»
Die Unterrichtsform «Fernunterricht» sei ja diesen Frühling sehr aktuell geworden. «Im Gemeinderat haben wir das mögliche Zunehmen von Fernunterricht schon im Herbst 2019 diskutiert. Gelernt wird in Zukunft vermutlich in immer kleineren Einheiten, also auch nicht mit 700 Kindern gleichzeitig in einer Schulanlage.»
Ob die Unterhaltskosten mit einem Komplett-Neubau tiefer seien, «das kann ich jetzt nicht überprüfen. Wir werden der Bevölkerung darüber aber eine Antwort geben müssen. Diese Frage stellte sich für uns angesichts aller anderer Argumente bis jetzt nicht. Wir werden am 3. September eine Gegenüberstellung zeigen.»
Wie steht es um die Berechnung der Sanierungskosten – ist diese zu ungenau? Marti: «Die Schär Buri Architekten, unser Begleiter in diesem Projekt, sind spezialisiert auf grössere Schul- und Sportanlagen. Auch andernorts wurde nach diesen Preisgrössen saniert, das hatte Bestand. Ein normaler Planungsvorgang ist ja auch zuerst eine Grobschätzung, plus/minus 25 Prozent genau. Und nun soll im Wettbewerbsverfahren, das am 3. September auf den Weg geschickt werden sollte, ein Vorprojekt entstehen. Darin haben wir dann plus/minus 10 Prozent Genauigkeit. Wir haben also nicht zuwenig genau gerechnet, sondern nach dem üblichen Vorgehen.»
Das undichte Dach der Primarschule habe die Gemeinde übrigens mittlerweile saniert. «Es war auch eine energetische Sanierung, die Solaranlage steht wieder, dies alles kostete 250’000 Franken. Dies haben wir so entschieden, weil wir planen, eben diese Bestandesbauten weiter zu nutzen.»
Die Variante Komplettneubau der ganzen Mühlematt-Anlage habe der Gemeinderat durchaus sehr sorgfältig diskutiert. «Wir erhielten vom Architekten drei Varianten, wie man dies machen könnte. Das sind Grundrisse mit Skizzen, Vorschlägen zur Raumnutzung und zu den Gebäude-Anordnungen. Ein sehr grosser Bau? Vier längliche kleinere Bauten? Wie ist die Sonneneinstrahlung? Was sind pädagogische Anforderungen? Die wichtigste Frage: Sind die Kinder wohl? Können wir Stressfaktoren rausnehmen?»
Gerade die Variante eines einzigen sehr grossen Gebäudes mit 700 Kindern plus Lehrpersonen sei wegen zuvieler «Stressoren» rausgefallen.
«Bei mehreren kleineren Gebäuden wäre es schon möglich, eine gute Lern-Atmosphäre zu erreichen, zum Beispiel auch mit Ecken zum Winkeln fürs Lernen in kleinen Gruppen», so Marti. «Aber gerade die heutige Anlage stimmt eben so. Viele Zugänge, viele Ecken, die Gebäude sind unterschiedlich ausgerichtet. Eine solche Aufenthaltsqualität müsste man mit einem Komplett-Neubau zuerst mal wieder erreichen.»
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