Die Flughafen Bern AG steht vor einem stressigen Herbst. Sie muss mit radikalen Entscheiden vorerst ihre Liquidität sichern, gleichzeitig aber auch aktiv ihre Zukunft planen. Die Massnahmen dazu: Entlassung von Mitarbeitern, Verschiebung grösserer Investionen auf später, aktives Bemühen um neue Fluggesellschaften, grundsätzliche Änderungen im Geschäftsmodell.
Sicherung der Liquidität – radikale Massnahmen
Die Skywork war der mit Abstand grösste Kunde der Flughafen Bern AG. Sie hörte «von heute auf morgen» (es war in der Nacht vom 29. auf den 30. August 2018) zu fliegen auf. Szenarien für diesen Fall lagen parat, aber diese mussten nun im Detail ausgearbeitet werden, «im Fokus steht dabei die Sicherung der Liquidität», heisst es in der Medienmitteilung. Die konkreten Massnahmen:
- Anpassung Personalbestand: «Es fallen rund 10 Stellen weg; durch natürliche Fluktuation, ordentliche Pensionierungen, Nichtbesetzung von Vakanzen, sowie der Auflösung des Anstellungsverhältnisses von fünf Festangestellten»
- Vorübergehende Sistierung aller grösseren Investitionsprojekte, auch der vierten Ausbauetappe – Kostenbremse – Reduktion der Komplexität
- Kurzarbeit für gewisse Betriebsbereiche
- «Paket von weiteren Kostensenkungs-Massnahmen»
Keine Geschäftsleitung macht einen solchen Schnitt gerne: «Die Flughafen Bern AG bedauert diesen Schritt sehr und bedankt sich bei allen Mitarbeitenden für ihr Engagement in dieser anspruchsvollen Zeit. Die Geschäftsleitung setzt sich für sozialverträgliche Lösungen ein.»
Positionierung des Flughafens: Potential sei da, wo ist die Airline?
Wollen die Berner eine oder mehrere Ganzjahres-Linienanbindungen? Falls ja, wieviel ist ihnen das Wert? Das ist für die Flughafen Bern AG die aktuelle Gretchenfrage.
«Grundsätzlich gäbe es ein Marktpotential von mindestens einer Hub-Anbindung zum Beispiel nach München, sofern die Verbindung regelmässig (mind. zwei Tagesrandverbindungen), zuverlässig (keine Last Minute-Streichungen) und nachhaltig (mit Aufbauphase von 2–3 Jahren) geflogen werden kann», stellt Brechbühl in der Medienmitteilung fest. Der Flughafen könne diese aber nicht selber anbieten, «sondern lediglich die Infrastruktur-Plattform für interessierte Fluggesellschaften anbieten.»
Bis Ende Jahr wolle man diesen Zusammenhang «Potential – Angebot» weiter ausloten. Es müsse ja für eine Airline wirtschaftlich Sinn machen, alles andere sei nicht nachhaltig. Man tausche aktiv aus mit möglichen Regionalfluggesellschaften, das könne bis zur Unterstützung in der Erstellung von Businessplänen gehen.
Kann eine Fluglinie «Öffentlicher Verkehr» sein?
Brechbühl kommt zu einer weiteren Grundsatzfrage. Er denkt über Fluglinien nach, die von der Öffentlichkeit subventioniert würden. «Das könnte sie [die Öffentlichkeit], wenn sie aus Standortüberlegungen und volkswirtschaftlichem Interesse eine Linie bestellen und das Defizit abgelten würde. Dies ist nicht so abwegig und geschieht im benachbarten Ausland häufig; im Inland auch schon zu Wasser und zur Schiene und offenbar neu auch am Flughafen Lugano, welcher der Stadt Lugano gehört.»
Auch ohne ganzjährigen, regelmässigen Linienverkehr gehts weiter
«Der Flughafen gibt sich Zeit bis Ende Jahr; können die Lücken im Streckennetz bis dahin nicht kommerziell sinnvoll geschlossen werden, wird der Flughafen in seiner Businessplanung davon ausgehen, dass der saisonale Linienverkehr (Ferienflüge) zusammen mit der Business Aviation, dem Luftverkehr im Interesse des Bundes (Bundesbasis, Diplomatie), der Rettungsfliegerei, der fliegerischen Ausbildung sowie der Kleinaviatik den Verkehr auf dem Flughafen Bern derzeit prägen wird.»
Grounding: Flughafen wurde genauso überrascht wie (fast) alle anderen
Die Flughafen Bern AG möchte in ihrer Medienmitteilung noch klarstellen: «Die Verantwortlichen der Flughafen Bern AG wurden vom Konkurs der SkyWork Airlines ebenso überrascht wie alle anderen Vertragspartner. Obwohl der Flughafen aufgrund der Entwicklung seines Homebase Carriers seit längerer Zeit über einen Notfallplan verfügte, durfte er – nicht zuletzt aufgrund der jüngsten direkten Kontakte mit der SkyWork Airlines-Spitze – davon ausgehen, dass keine akute Grounding-Gefahr drohte. Leider kam es anders und so mussten wir vom Konkurs Kenntnis nehmen.»
Beat Brechbühl, Verwaltungsratspräsident Flughafen Bern AG: «Ich bedaure dies sehr – für den Flughafen, der durch nicht bezahlte Rechnungen einen Millionenverlust erleidet, für die Berner Bevölkerung und Passagiere und als SkyWork Airlines-Aktionär auch persönlich.»
Für ihn sei damit «die Ära der Berner Homecarrier zu Ende gegangen» – eine Airline, die von Bern aus operiere und hier ihr «home» hat, werde es gemäss Brechbühl vermutlich nicht mehr geben.
/Nachtrag:
Des Schreiberlings Verdacht, dass die Flughafen Bern AG gewusst haben musste, dass die Skywork an diesem Mittwochabend 29.8. grounden werde, war falsch. Im Rückblick also einmal mehr irritierend, wie das Grounding vor sich ging.
Dafür stimmt die klare Informationspolitik des Flughafens, auch in schwierigen Zeiten, zuversichtlich. Erstens «weiss man, was man hat». Und zweitens: Aviatik im Mösli mag zwar reduziert weitergehen, sie wird aber noch lange nicht aufhören.
Gelingts einer neuen Fluglinie, einen Businessplan zu realisieren, der «verhäbt»? Die Gratwanderung, im regionalen Liniengeschäft ab Belp profitabel zu fliegen, scheint extrem schwierig zu sein.
Jean-Michel With meint
Die Kommunikation der Flughafen Bern AG kommt professionell, „ungeschönt“ und differenziert daher. Es ist richtig und wichtig, dass nun im Verwaltungsrat alle straetgischen Optionen geprüft werden. Der Flughafen gehört zu Belp und der Region. Er ist ein wichtiger Arbeitgeber, weshalb eine Hub-Anbindung – beispielsweise nach München – für die Hauptstadtregion wichtig wäre. Hoffen wir, dass sich am Belper Aviatik-Horizont schon bald ein Silberstreifen zeigt.
Marcel Spinnler meint
Das ist doch eine etwas andere Kommunikation, als es die Skywork betrieben hat. Chapeau!