Was macht man, wenn man Technik-Lieferant für Events ist, 80 Kunden im Auftragsbuch hatte und diese, alle, innert weniger Tage rauslöschen musste? «Nach dem ersten Schock versuchen wir eben, andere Ideen zu finden», sagt Heinz Bircher, einer der beiden Geschäftsführer der Avance Pay an der Belpbergstrasse 15. «Es ist klar: Wir wollen überleben.» Die Überbrückungsangebot des Bundes seien zwar eine Hilfe, «aber unser Geschäft, unsere Innovationskraft geben wir deshalb nicht so schnell auf.»
Die Avance Pay entwickelt und installiert digitale Bezahlprozesse für Shop-Stände an kleinen und grossen Events. Die Geräte funktinieren kontaktlos, auch bei Stromausfall, auch mitten im Regen und Schlamm eines mehrtägigen Rockfestivals, im Tourismus, in Sportstadien. Zum Beispiel am Rock’Oz’Arènes, beim Porsche European Open, In der Tissot Arena, am FIS Ski World Cup, am Stars of Sounds, Moon & Stars, Zermatt Unplugged, in Kitzbühel oder auf der Waldbühne Berlin.
Eine eindrückliche Kundschaft hat sich die kleine Belper Firma (derzeit vier Leute in Belp, zwei in Österreich) über die Jahre aufgebaut. Aber eben: «Im 2020 läuft nun kaum mehr etwas. Ein paar Organisatoren versuchen zwar, Ersatz-Termine im September oder Oktober festzulegen, aber alles ist nun leider höchst unsicher», so Bircher.
Die Shop-Geräte der Avance Pay stapeln sich in blauen Kisten im Lager in Belp. Es sind speziell programmierte Touchpads, mobil, robust konstruiert, spritzwasserfest.
Die Geräte haben eine Videokamera eingebaut (VideoChat?!). Sie sind abwaschbar (desinfizierbar?!) — Szenenwechsel, Pflegeheim, das Grosi und der Grosätti sitzen dort fest und können auch keinen Besuch empfangen. Keinen? VideoChat!
So etwa mag es in Brainstormings zwischen Bircher (Foto: rechts) und dem Mit-Gründer Peter Danz (Foto: links) vorgegangen sein.
Resultat: Neuer Markt, neues Angebot (Geräte-Miete für Heime), neue End-Zielgruppe, neues Potential. In wenigen Tagen hat man an der Belpbergstrasse eine möglichst einfache Bedienung ausgetüftelt, Software und Server entsprechend adaptiert, Werbeflyer erstellt und an hunderte von Pflegeheimen in der ganzen Schweiz versandt, ein dreisprachiges Manual-Blatt erstellt und die ersten dutzend Geräte auf diese Anwendung umgestellt.
Die Heime sind interessiert. Bircher: «So schnelle Zusagen haben wir noch nie erlebt!» Seit gestern Mittwoch sind er und Danz mit ihren Autos voller VideoChat-Geräte in der halben Schweiz unterwegs. «Wir dürfen ja gar nicht in die Heime rein! Aber das geht schon. Geräte vor die Türe stellen, drei Meter zurücktreten, mit der verantwortlichen Person in sicherer Distanz einen ersten VideoChat durchspielen – fertig», lächelt Bircher.
Statt für die Bezahlung der Bratwurst, des Cüplis oder des Fan-Schals ist dieses Gerät nun also fürs einsame Grosi da. «Diese live-VideoChats mit Enkel, Tochter und Freunden werden den beidseitig schwierigen Alltag aufhellen», freuen sich Bircher und Danz. Und vielleicht ihre Firma retten.
Das gleiche Gerät, aber mit neuer Idee eingebaut. #bäupinnovativ
Susanne Marti meint
Tolle Idee! Schön, dass in dieser schwierigen Zeit so innovative neue Geschäftsmodelle entstehen. Ich wünsche Euch viel Erfolg!
Lorea meint
Toi toi toi! Bleibt weiterhin mutig, innovativ und einsatzfreudig!