76 Prozent Rückgang der Flugpassagiere, 1,5 Millionen Franken Jahresverlust, «schwierige Rahmenbedingungen», mehrfaches Sesselrücken im Verwaltungsrat: Die Hauptversammlung der Flughafen Bern AG hatte nur 1 Erfolggeschichte des letzten Jahres zu berichten: Dass viele Aviatik-Freunde bereit waren, mehr als 1 Million Franken in eine neue, teils dem Flughafen gehörende «virtuelle Airline» zu investieren bzw. zu spenden.
Der Start dieser FlyBAIR glänzte länger in positivem Licht. Dann kam der Ausstieg des Hauptpartners, der das Flugzeug vermietet hätte (mit FlyBAIR-Bemalung). Erzwungener Wechsel zu Helvetic als neuer Flugzeug-Partner, also höhere Kosten und keine FlyBAIR-Bemalung, die FlyBAIR bewegt sich in Richtung «normales Reisebüro». Verschiebung Erstflug. Coronavirus – Flugverkehr weltweit steht still, Terminal in Belp geschlossen.
Mit den Zahlen der letzten Jahre sehe man trotz allem, dass eine «respektable Nachfrage an Linien und Charterflügen von und nach Bern besteht», schreibt die Flughafen Bern AG in einer Medienmitteilung.
Es gab ja ein reges Kommen und Gehen von kleinen und grossen Airlines in Belp in den letzten zwanzig Jahren. Nach Abgang der Skywork Airlines fand sich niemand mehr, der das Risiko auf sich nehmen wollte. Die Flughafen Bern AG gründete also ihre eigene virtuelle Airline. Mit dem Grundtenor «wir wollen es besser machen als die anderen» will sie mit dieser Airline am Publikumsverkehr im Mösli festhalten. Prominenter Verwaltungsrat ist André Lüthi, Gründer der Globetrotter-Reisen und Verfechter von bewussterem Reisen.
«Wir sind überzeugt, dass zukünftig ein nachhaltiger Publikumsverkehr ab unserem Flughafen möglich ist und mit flyBAIR der Grundstein dazu geschaffen wurde», schreibt die Flughafen Bern AG.
Schon letztes Jahr musste die Flughafen Bern AG radikale Schnitte tun. Wegen Corona muss sie das noch radikaler. Weitere Kostensenkungen, Kurzarbeit, nur noch minimale Investitionen. «Damit kann das Überleben in der andauernden Krise gesichert werden», heisst es. Den Jahresverlust von 1.5 Mio Franken könne man dank einer sehr guten Eigenkapitalbasis verkraften. Der Flughafen musste schon den Jahresverlust 2018 von 1 Mio CHF tragen.
Wirds in Belp weiterhin offene Terminal-Atmosphäre für alle, Publikumsverkehr doer die «Charlys Check-In»-Bar (sie wird von der Gastrogruppe ZFV betrieben, ist aber natürlich in hohem Masse abhängig vom Publikumsverkehr) geben?
Die Verwaltungsräte prüfen nun ganz offen jedes mögliche Szenario, «mit und ohne Publikumsverkehr». Ganzjähirger Linienverkehr, letztmals von Skywork Airlines betrieben, ist gar kein Thema mehr.
Die lokalen Partner wie Eigenossenschaft oder REGA würden weiterhin bedient – das sind ja auch keine Verlustgeschäfte. Dasselbe gilt wohl auch für die Business Aviation.
Ohne (genügend) Publikumsverkehr wird man aber weitere Personalreduktionen vornehmen müssen, schon «in den kommenden Monaten». Derzeit arbeiten für die Flughafen Bern AG 90 Mitarbeitende, verteilt auf 51 Vollzeitstellen.
Vier Verwaltungsräte machen für all diese Entscheidfindungen nun drei neuen Platz. Es treten zurück: Charles Riesen (neu Ehrenpräsident), Urs Sieber, Jobst Wagner und Thomas Kern. Neu gewählt wurden Andrea Wucher, Sebastian Friess und Alexandre Schmidt.
Auch der neu zusammengesetzte Verwaltungsrat will weiter mit einem wichtigen Strategieentscheid zuwarten: Ob weiterhin Publikumsverkehr oder nur noch Business Aviation das Mösli prägen soll. «Unter der Annahme, dass sich die Nachfrage nach Flugreisen im Herbst 2020 und im kommenden Jahr erholen sollte, wird sich der Flughafen vorerst auf das Geschäftsmodell mit saisonalem Publikumsverkehr fokussieren.»
Fliegerei ist ein volatiles Business.
«Volatil» = flüchtig, unbeständig.
Nomen est Omen: Volare (Lateinisch/Italienisch) = fliegen. Volatilis = fliegend.
Heinz Gerber meint
Ich finde Publikumsverkehr gut, war einige Male ab Belp in Hamburg, Berlin und Wien. Diese Ziele brauchen ja nicht täglich auf dem Flugplan zu stehen. 2x pro Woche würde die Flugzeuge füllen, Ich wär wieder dabei.